Systematisiertes Querdenken im kurzen 20. Jahrhundert
Fallstudien zur Geschichte und Praxis von Kreativitäts- und Ideenfindungstechniken
Kreativitäts- und Ideenfindungstechniken wie Mind-Maps, Brainstormings oder so genannte Morpho-logische Methoden sind als methodische Konzepte längst ins kollektive Fachwissen vieler Berufs- und Wissenschaftsfelder sedimentiert. Diese Popularität wird indes durch den Umstand kontrastiert, dass kaum differenzierte historiografische Studien existieren, die das signifikante Aufkommen von Kreativitätstechniken im ›kurzen 20. Jahrhundert‹ (Hobsbawm) thematisieren, insbesondere in der Nachkriegszeit und während des Kalten Krieges.
Wenig erforscht sind mithin die zeithistorischen intellektuellen Einflüsse und Anwendungskontexte, in denen diese Techniken in sowohl kapitalistischen als auch sozialistischen Systemen an Bedeutung gewannen. Marginalisiert wird zudem eine Analyse der konkreten Praktiken, (Bild-)Rhetoriken, Materialitäten und Ästhetiken vermittels derer das emergente Konzept der ›Kreativität‹ in diesen Jahrzehnten der Krisen und des Aufbruchs auf systematische Weise befördert werden sollte – und die als diskursives Geflecht das Sprechen über Kreativität sowie seine Anwendungs- und Instrumentalisierungsversuche bis heute prägen.
An diesem Punkt setzt das Projekt an: Basierend auf der Auswertung von Archivmaterial, Primär- und Sekundärliteratur sowie Interviews sollen drei komparative Fallstudien erarbeitet werden: 1. zu den Morphologischen Methoden des Schweizer Astrophysikers Fritz Zwicky, 2. zur gruppenbasierten Brainstorming-Technik des US-amerikanischen Werbeagentens Alex Osborn sowie 3. zu der in der DDR propagierten Erfindungstheorie TRIZ des russischen Ingenieurs und Science-Fiction-Autors Genrich Altschuller.
Anhand der Fallstudien sollen exemplarisch Fragen zu konstitutiven, sowohl individuellen als auch geteilten epistemisch-ästhetischen Einflüssen, Praktiken und Bildrhetoriken untersucht werden.